Umfrage zu Rassismus, Xenophobie, Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit - 2010-2014

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Rassismus wird als eine menschenverachtende Wahrnehmung von Individuen aufgrund biologischer oder kultureller Merkmale verstanden, die über das Individuum hinausgehend zugeordnet werden, um so einzelne Gruppen von Menschen zu verachten, erniedrigen oder vernichten. Die Notwendigkeit einer systematischen Erfassung rassistischer Diskriminierungen und Haltungen (Monitoring) wird international anerkannt. Sie entspricht auch einem Anliegen des Bundesrates, der die Fachstelle für Rassismusbekämpfung des Bundes (FRB) 2007 mit der Schaffung eines entsprechenden Monitorings beauftragte, um über bestehende Daten hinaus aussagekräftige dauerhafte Informationen zu Einstellungen in der Bevölkerung, Ursachen entsprechenden Handelns und Denkens respektive Wirkung von Massnahmen zu erhalten.Das Projekt "Zusammenleben in der Schweiz" sollte erlauben, kritische Potenziale im Sinne rassistischer Einstellungen in der Einwohnerschaft umfangmässig, von ihrer strukturellen Verankerung her und im Trend zu erfassen. Zudem sollten Ursachen von Rassismus identifiziert werden. Um ein Instrument zu erarbeiten und auf seine Tauglichkeit hin zu testen, wurde in einer Pilotphase von fünf Jahren (2010-2014) alle zwei Jahre eine Bevölkerungsumfrage bei einer repräsentativen Anzahl von in der Schweiz lebenden SchweizerInnen und AusländerInnen durchgeführt. Mit der dritten Erhebung vom Frühling 2014 wurde diese Pilotphase abgeschlossen. Während der Pilotphase wurden auch Einschätzungen von ExpertInnen eingeholt, um das Projekt wissenschaftlicher Kritik zu unterziehen und entsprechend zu entwickeln (September 2013: 3-Länder-Tagung der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW), der Österreichischen Gesellschaft für Politikwissenschaft (ÖGPW) und der Schweizerischen Vereinigung für Politische Wissenschaft (SVPW) zum Thema 'Politik der Vielfalt' in Innsbruck; Februar 2014: Fachtagung zum Thema 'Rassismus-Monitoring in der Schweiz' mit ExpertInnen aus Wissenschaft und Verwaltung). Anfang 2015 wurde die Pilotumfrage 'Zusammenleben in der Schweiz 2014' final evaluiert und entschieden, das Instrument definitiv in die Omnibusbefragungen des Bundesamtes für Statistik zu überführen. Das Konzept der Studie und somit der Befragung stützte sich im Wesentlichen auf die Vorarbeiten der Machbarkeitsstudie von Manzoni (2007). Diese referiert den sozialwissenschaftlichen Forschungsstand generell und speziell für die Schweiz (Cattacin, Gerber, Sardi & Wegener 2006) und untersucht die Möglichkeiten einer Durchführung eines langfristigen Monitoring-Surveys zur regelmässigen Erhebung von fremdenfeindlichen und rechtsextremen Einstellungen in der Schweiz. Der Autor kam zum Schluss, dass alle untersuchten Kernkonzepte (Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamophobie und Rechtsextremismus) einer empirischen Erhebung mittels standardisierter Befragung zugänglich sind. Der Einbezug von Opfererfahrungen (Gewalt) aufgrund bestimmter Gruppenzugehörigkeit ist prinzipiell machbar, sollte aber nach psychischen und physischen Formen unterschieden werden. Der Einbezug von Diskriminierungserfahrungen bei der ausländischen Wohnbevölkerung sollte berücksichtigt werden. Es stehen einzelne Datensätze in der Schweiz und für den europäischen Vergleich zur Verfügung, welche aber nur teilweise genutzt werden können. Aufgrund der inhaltlichen Vielfalt der Kernkonzepte und der gewünschten erklärenden Theoriekonzepte wurde die Durchführung in einem eigens dafür zugeschnittenen Surveygefäss vorgeschlagen. Diese Vorgabe aus der Sozialwissenschaft wurde 2008 einer kritischen Überprüfung unterzogen, mit Blick auf deren Umsetzung seitens der Bundesverwaltung. Dies führte zu einem spezifizierten Konzept, wie Rassismus in der Schweiz international vergleichbar, auf der Ebene der EinwohnerInnen, untersucht werden kann. Das Forschungsinstitut gfs.bern entwickelte dabei die nachfolgenden Schlüsse für die Studie "Zusammenleben in der Schweiz": 1. Es soll ein Übergang von punktuellen hin zu gesamtheitlichen Betrachtungen von Phänomenen im Zusammenhang mit Rassismus geleistet werden (fünf Kernkonzepte). 2. Es ist zentral, eine Regelmässigkeit der Datenerhebung zu schaffen und nicht kurzfristig, ereignisorientiert Daten zu erheben. 3. Es sollen empirische Evidenzen berücksichtigt werden, statt sich ausschliesslich auf theoretische Zusammenhänge aus sozialwissenschaftlicher Literatur zu stützen. In einem ersten Schritt zur Etablierung des Monitorings "Zusammenleben in der Schweiz" wurde im vierten Quartal 2008 eine Vorstudie zum Rassismus-Monitoring in der Schweiz realisiert. Die Vorstudie legte folgende Grundlagen für die späteren Durchführungen der Monitorstudie: Erarbeitung eines, den gängigen methodischen Anforderungen der Sozialwissenschaften genügenden und empirisch abgesicherten Fragebogens, als Messinstrument zur Erhebung gruppendiskriminierender Einstellungen und Dispositionen in der Schweiz; Bestimmung der Erhebungsmethode und Durchführung eines Pretest zur Validierung des Fragebogens sowie der gebildeten Skalen; Verdichtung der gewonnen Erkenntnisse über das effektivste Befragungsdesign zu Empfehlungen für den ab 2010 durchgeführten Monitor. Aufbauend auf dieser 2008 durchgeführten Vorstudie wurde 2010 die Monitorstudie 'Zusammenleben in der Schweiz' etabliert und in minim angepasster Form in den Jahren 2012 und 2014 wiederholt. Empfehlungen aus der Vorstudie sowie die Erkenntnisse aus den Pretests und den ersten Datenerhebungen wurden im definitiven Fragebogen, welcher gemeinsam mit dem Kunden erarbeitet wurde, laufend umgesetzt. Das finale Konzept, welches für das Monitoring 'Zusammenleben in der Schweiz' auf Befragungsbasis vorschlagen wurde, kannte vier zentrale Beobachtungsdimensionen: biologisch begründeter Rassismus,Judenfeindlichkeit, Muslimfeindlichkeit und Ausländerfeindlichkeit. Die Bedeutung dieser Dimensionen ist unbestritten. Sie ergibt sich aus der Migration in die Schweiz, der Pluralisierung von Kulturen, der Individualisierung von Lebensläufen und der damit einhergehenden Differenzierung der schweizerischen Gesellschaft, was teilweise zum Problem geworden ist und in stärkerem Masse rassistische Einstellungen denkbar werden lässt. Postuliert wurden zwei zentrale Erklärungskomplexe und eine Reihe weiterer denkbarer Erklärungsansätze. Die zentralen Erklärungskomplexe leiteten sich aus der Migration und aus der Diskriminierung ab. Der Migrationskomplex umfasst im Wesentlichen das Bild der Wanderungen, das dadurch verursachte individuelle Bedrohungsgefühl, das Verständnis von Integration, die Beurteilung der behördlichen Integrationspolitik sowie die persönlichen Abstiegsängste. Die Vorstellungen hierzu, die es zu erforschen gilt, basieren auf realen Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Schweiz, welche Ängste auslösen können sowie verschiedene Vorstellungen der Integration von Menschen und Kulturen aktivieren, die zu politischen Reaktionen führen. Diskriminierungserfahrungen waren im Monitoring "Zusammenleben in der Schweiz" von Belang, wenn sie aufgrund von rassistischen Vorurteilen erfolgten, respektive wenn sie zu solchen führten. Erleichtert wird diese Entwicklung in der Regel durch Extremismus, Autoritarismus und (relative) Deprivation, allenfalls auch durch politische und allgemeine Entfremdung. Im extremsten Fall kann angenommen werden, dass dadurch Gewalt vermehrt gebilligt oder angewendet wird. Jede dieser Dimensionen wurde einzeln beobachtet. Gerade diesem Erklärungskomplex stellten wir bewusst einen Gegenpol gegenüber, der sich aus der Definition von Rassismus ergibt und versucht, das Denken und Handeln bewusst in eine andere Richtung zu steuern. Wir nannten das Rassismus-Sensibilitäten. Das heisst die Fähigkeit, bewusst mit Phänomenen und Problemen umgehen zu können, die zu Rassismus führen können. Wir machten dies als Erweiterung der Überlegungen von Manzoni, weil der Fragebogen nicht nur aus der Optik der Probleme und ihrer Erklärungen konzipiert werden sollte. Schliesslich wurde vorgeschlagen, gemäss den Empfehlungen von Manzoni Zugehörigkeit und Selbstverständnis zu Ethnie, Religion und Nation zu erfassen, sowie danach zu fragen, wie weit diese Konzepte sozio-ökonomisch bestimmt werden, regionale Eigenschaften folgen und politisch-ideologische Konsequenzen haben.

In a pilot phase of five years (2010-2014), a population survey was carried out every two years for a representative number of Swiss and foreigners living in Switzerland, in order to develop an instrument and test it for its suitability. This pilot phase was completed with the third survey of spring 2014. At the beginning of 2015, the Pilot Survey on diversity and coexistence in Switzerland 2014 was finally evaluated and it was decided to transfer the instrument definitively into the omnibus surveys of the Federal Statistical Office. In the context of cultural diversity, the Survey on diversity and coexistence in Switzerland aims to present an accurate picture of the issues raised by the coexistence of different groups currently living in Switzerland. It collects information on the acceptance, rejection and integration of certain groups of the population. The survey also allows monitoring of trends in society in several areas such as racism, xenophobia, hostility – in particular towards Muslims, black people and Jews – or discrimination. The data collected are used to observe social change and to make detailed analyses. They help to guide policies on social cohesion, integration and anti-discrimination.

Identifier
DOI https://doi.org/10.23662/FORS-DS-674-1
Metadata Access https://datacatalogue.cessda.eu/oai-pmh/v0/oai?verb=GetRecord&metadataPrefix=oai_ddi25&identifier=b322fd85960844577ae342e409317d2b53b446e719b06175893428a6df8ce5df
Provenance
Creator Mousson, Martina
Publisher FORS
Publication Year 2016
Rights Restrictions supplémentaires: Aucune; Zusätzliche Einschränkungen: Keine; Additional Restrictions: None; Permission spéciale: Aucune; Sondergenehmigung: Keine; Special permission: None
OpenAccess true
Representation
Language English
Discipline Social Sciences
Spatial Coverage Suisse; Schweiz; Switzerland; Europe; Europa; Europe; Europe occidentale; Westeuropa; Western Europe