Basis of the consumer society. Formation and development of modern retail in Germany 1850 – 1914

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Gegenstand der Studie : Gewerbliche Produktion kann nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn die Produkte konsumiert werden. Die Infrastruktur für den Konsum wird wiederum durch Märkte und dem Handel gebildet. Eine Industriegesellschaft ist ohne Konsum nicht denkbar, und die Industrialisierung hat neben vielen anderen Faktoren auch die Entstehung des Einzelhandels als Bedingung. Der Autor analysiert die Entwicklung des modernen Kleinhandels als den entscheidenden Träger des Warenangebotes während der Industrialisierung sowie seine Bedeutung als zentrale Stimulationsinstanz moderner Wirtschaft. Vor dem Hintergrund eines tiefgreifenden Wandels von Anzahl der Handels-Dienstleistungen, Form der Handels-Dienstleistungen und der Handels-Betriebe (Einzelhandelsgeschäfte) selbst erweist sich der Kleinhandel als Vorreiter moderner Dienstleistungen und somit als unverzichtbare Basis der entstehenden Konsumgesellschaft. Zeit und Ort der Untersuchung: Die zeitliche Begrenzung von 1850 bis 1914 zentriert die Arbeit auf den strukturellen Wandlungsprozeß, der massenhaft erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzte. Der Autor bezieht dennoch das in wenigen Großstädten schon um 1800 sich entwickelnde Kleinhandelswesen mit ein. „Die Geschichte der Konsumgesellschaft reicht bis weit in das 18. Jahrhundert zurück, die entscheidenden Weichenstellungen aber erfolgten in der Mitte und am Ende des 19. Jahrhunderts. Die Arbeit endet mit dem Beginn des ersten Weltkrieges. Zu diesem Zeitpunkt bestand im Deutschen Reich ein ausgebautes und hochdifferenziertes Distributionssystem, welches sich nicht allein auf die wachsende Zahl größerer und mittlerer Städte beschränkte, sondern sich direkt und indirekt auch in immer weiteren Teilen des Landes etablieren konnte“ Spiekermann (1996), S. 14. Räumlich bezieht sich die Studie auf das Gebiet des Deutschen Reichs in den Grenzen von 1871. Die Entwicklung im Kleinhandel verlief jedoch regional sehr unterschiedlich. Nur im Wechselspiel von Einzelentwicklungen vor Ort und die Bewertung der Bedeutung dieser Einzelereignisse für die gesamte Entwicklung läßt sich die Entwicklungsstruktur des Kleinhandels in Deutschland erkennen bzw. beschreiben. Hierfür wurden die Großstädte Hamburg und München als lokale Orte der Analyse ausgewählt. Aufgrund der schlechten Datenlage hat der Autor keine Städteauswahl mit Hilfe einer Clusteranalyse vorgenommen. Der Autor vertritt die These, „dass die Entwicklung des Kleinhandels im Untersuchungszeitraum ein universeller Prozeß war, der trotz spezifischer zeitlicher und regionaler Unterschiede in jeder deutschen Großstadt nachzuweisen wäre“ (Spiekermann (1996), S. 15. Damit ist die Auswahl von zwei Großstädten unter Berücksichtigung der lokalen Besonderheiten gerechtfertigt, während die Ergebnisse einer Clusteranalyse aufgrund der schlechten Datenlage unsicher und willkürlich seien. Der Autor spezifiziert seine Fragestellung wie folgt: Der Kleinhandel wird im Rahmen der Studie als eine wirtschaftliche Tätigkeit verstanden, durch die die handelnde Person durch Absatz von Waren an Endverbraucher ein Einkommen und Gewinne erzielen kann. Hierbei werden nicht einzelne Konsumgüter getrennt betrachtet, da eine Trennung der Handelsvorgänge nach Warenposten in der Analyse nicht möglich ist, aber auch, weil mit dieser Trennung die Einordnung der einzelnen Branchen in den Wandlungsprozeß des gesamten Kleinhandels offen bliebe. Die Untersuchung konzentriert sich auf den ladengebundenen Kleinhandel, wie er in der Reichsstatistik unter der Bezeichnung Warenhandel aufgeführt ist. Er schließt die damals neuen Betriebsformen und Vertriebsformen ein. Daneben werden Marktwesen, das städtische Wandergewerbe, Versandgeschäfte und Automatenhandel analysiert. Der Autor verweist auf eine ihm vorliegende „Denkschrift über die äußere Entwicklung des Kleinhandels“, in der darauf hingewiesen wird, dass der neue Kleinhandel in seiner Eigenart und Ausprägung zu der gleichen Zeit entstanden ist, wie die modernen Großbetriebe des Detailhandels, Warenhäuser, Konsumvereine, Filialgeschäfte, etc. Alle diese neuen Erscheinungen müssen als Versuche gewertet werden, die Bedürfnisse einer Bevölkerung zu befriedigen, die an Zahl, Wohlstand und an Ansprüchen gestiegen ist, lokal durch das Zusammenrücken von Orten verschoben und sozial durch die Entstehung der Arbeiterschaft und des neuen Mittelstandes umgeschichtet wurde (Spiekermann (1996), S. 15). Trifft das zu, wird den neuen Be- und Vertriebsformen ihre Rolle als Modernisierungsagenten aberkannt. Der Kleinhandel und seine Mitkonkurrenten (Märkte, Warenhäuser, Filialgeschäfte, Konsumvereine) hätten dann gleichermaßen zur Modernisierung des Handels beigetragen. „Die Frage nach der Entstehung und Entwicklung des Kleinhandels wird daher ergänzt werden müssen, um die Frage nach der Entstehung und Entwicklung der prägenden Institutionen des Kleinhandels, nach deren Trägern, nach den Ursachen ihres Wandels, nach ihrer Bedeutung für die Ausbildung einer Konsumgesellschaft“ (Spiekermann (1996), S. 15). Quellenproblematik: Aufgrund der sehr schlechten empirischen Quellenlage ist auf dem Gebiet des Klein- und Einzelhandels sehr wenig bis gar nicht geforscht worden. Es fehlt eine zuverlässige Kleinhandelsstatistik. Klar umgrenzte Archivbestände fehlen und die Statistiken sind mangelhaft (Spiekermann (1996), S. 20). Daher hat der Autor sehr heterogene Quellen herangezogen. Neben zeitgenössischer Sekundärliteratur stellt die amtliche Statistik auf Reichs-, Länder- und Stadtebene eine wichtige Quelle dar, obwohl sie die Kriterien einer modernen Wirtschaftsstatistik nicht erfüllt. „Es fehlen Erhebungen über Umsätze, Kapitaleinsatz, Investitionen, Gewinne und Löhne. In der Reichsstatistik wird bis 1924 nicht zwischen Groß- und Kleinhandel unterschieden und gesicherte quantitative Zählungen des Kleinhandels im Kaiserreich existieren nicht. Das statistisch definierte Handelsgewerbe umfasst zudem nur einen Teil des Kleinhandels. Dennoch lohnt sich eine Auswertung dieser Statistiken. „Trotz mangelnder Klarheit hinsichtlich absoluter Angaben ermöglichen sie eine verhältnismäßig gute Darstellung der relativen Entwicklung des Warenhandels. Haupttrends sind dadurch erkennbar, Stadt-Land-Unterschiede werden deutlich, ebenso regionale Disparitäten. Die Angaben der Berufs- und Gewerbezählungen können zudem durch speziellere Angaben der statistischen Landesämter ergänzt werden. Dadurch wird ein quantitativer blick auf Hausierer, Märkte, Detailreisende sowie einzelne Be- und Vertriebsformen möglich, … . Unverzichtbar sind die landesstatistischen Erhebungen selbstverständlich vor 1872 … . Trotz immenser quellenkritischer Probleme bietet gerade die preußische, sächsische und bayerische Statistik dieser Zeit wichtige Basisinformationen über den nachhaltigen Wandel des Distributionssystems. Weniger Material enthält dagegen die Kommunalstatistik … . Spezielle Erhebungen über den Kleinhandel fehlen, doch vereinzelte Ladenzählungen, Mieten- und Gewerbesteuerstatistiken erlauben weitergehende Schlüsse zur Entwicklung und wirtschaftlichen Lage des Kleinhandels. Die Defizite der amtlichen Statistik können zumindest seit den späten 1880er Jahren durch eine Reihe halb- bzw. nichtamtlicher Erhebungen gemildert werden“ (Spiekermann (1996), S. 23). Hierzu gehören groß angelegte Enqueten des Vereins für Socialpolitik (über Wucher, über den Einfluß des Zwischenhandels auf die Preise, über das Hausierergewerbe, die Handwerkerenquete, die Wirtschaftsenquete), empirische Untersuchungen der Handelskammern (Enqueten unter Federführung der Handelskammern Konstanz, Braunschweig und Hannover). Die Zeitschrift „Handel und Gewerbe“ enthält umfangreiches empirisches Material. Veröffentlichungen und Berichte der Konsum- und Rabattvereine wurden als weitere mögliche Quellengrundlage genutzt. Weiterhin wurden Stadt-Adressenbücher herangezogen und statistisch aufbereitet. Für die Städte Dortmund, Hamburg und München wurden die teils bis in die 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückreichenden Einzelangaben zum Kleinhandel aufbereitet und so umgerechnet, dass sie mit der Reichsstatistik sowohl nach den Kategorien des Jahres 1875 als auch mit der wesentliche höher differenzierten Erhebung von 1907 vergleichbar war. Allerdings bleibt das Problem der mangelnden Repräsentativität durch die Auswahl von nur 3 Städten bestehen. Daher hat der Autor das Material durch die Auswertung archivalischer Quellen ergänzt, damit lokale und regionale Besonderheiten in die Analyse mit einbezogen werden. Abschließende Zusammenfassung, Aufbau der Arbeit: Im Gegensatz zu anderen Wirtschaftszweigen war der Kleinhandel durch eine immense Formenvielfalt gekennzeichnet, was eine Periodisierung der Entwicklung des Kleinhandels nur in groben Zügen möglich macht. Unter Vorbehalt umreißt der Autor drei Entwicklungsphasen, die zeitlich vom frühen 19. Jahrhundert bis in die frühen 1860er, dann von den frühen 1860er bis ca. 1890 und schließlich von den frühen 1890er Jahren bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges reichen. Die Kennzeichen dieser drei Phasen werden eingehend beschrieben. Der Autor zieht den Schluss, dass „vor dem Hintergrund dieser Entwicklung [es falsch ist], dem Kleinhandelssektor während der Früh-, Hoch- oder Spätindustrialisierung relative Rückständigkeit gegenüber der produzierenden Wirtschaft zu konstatieren. Vom Kleinhandel gingen vielmehr wichtige Impulse für die industrielle Entwicklung aus, seine Tätigkeit verdeckte vielfach die noch im frühen 20. Jahrhundert meist mangelhafte Absatzorientierung der (Konsumgüter)Industrie.“ Er entwickelte sich zum Motor des Absatzes, so daß „die Industrialisierung […] ohne einen leistungsfähigen Kleinhandel nicht möglich gewesen [wäre], der wirtschaftliche Aufschwung des Deutschen Reiches […] ohne ihn nicht denkbar [ist]“ (Spiekermann (1996), S. 519). Dabei „veränderte der Kleinhandel während des Untersuchungszeitraumes sein Aufgabenprofil grundlegend von einer Vermittlungsinstanz zur Überwindung der naturbedingten örtlichen und zeitlichen Knappheit an Gütern zu einer zentralen Stimulationsinstanz der modernen Wirtschaft. Die absolute Dominanz der Investitionsgüterindustrie darf nicht verdecken, daß der menschliche Konsum direktes bzw. indirektes Ziel jeglicher Produktion war und ist. Die quantitative Entwicklung des Kleinhandels zeigt eine Entwicklung, der der allgemeine Konsum […] folgte“ (Spiekermann (1996), S. 620). Datentabellen in HISTAT (Thema: Handel): A. Entstehung des Kleinhandels (24 Datentabellen ) B. Formaler Wandel des Kleinhandels B.1 Der Laden als Basisinnovation: Durchsetzung gegen alte Formen des Handels wie z.B. dem Markthandel. B.2 Markthallen und Märkte B.3 Konsumvereine, Filialbetriebe und Versandhandel B.4 Handelsreisende, Hausierer und Jahrmärkte C. Der Wandel des Handels-Betriebs C.1 Einkaufsgenossenschaften und Rabattvereine C.2 Veränderung des Sortiments und der Waren C.4 Buchführung und Kalkulation D. Tabellen im Anhang D.1 Das Handelsgewerbe in Preußen und im Deutschen Reich: regionale Verteilung der Klein- und Großhändler. D.2 Betriebs- und Beschäftigtenstruktur des Handelsgewerbe D.3 Stadt-Land-Unterschiede und regionale Verteilung des Handels D.4 Die Versorgung durch Märkte D.5 Andere Betriebsformen des Handels D.6 Haupt- und Zweiggeschäfte, Filialen D.7 Umsatz und Produktivität des Handels D.8 Die Entwicklung des Wandergewerbes und der Märkte D.9 Entwicklung des Sortiments (Anzahl der Marken pro Warengruppe) D.10 Unkosten, Gewinne und Konkurse

Verwendete Quellen: Amtliche Statistiken, Vereins- und Verbandsstatistiken, Archivmaterialien, Adressbücher, wissenschaftliche Publikationen.

Identifier
DOI https://doi.org/10.4232/1.12402
Source https://search.gesis.org/research_data/ZA8587?lang=de
Metadata Access https://datacatalogue.cessda.eu/oai-pmh/v0/oai?verb=GetRecord&metadataPrefix=oai_ddi25&identifier=050003100433ca9f96c977fafe6236ca53dab466522219cf41946072d03323a2
Provenance
Creator Spiekermann, Uwe
Publisher GESIS Data Archive for the Social Sciences; GESIS Datenarchiv für Sozialwissenschaften
Publication Year 2015
Rights A - Data and documents are released for academic research and teaching.; A - Daten und Dokumente sind für die akademische Forschung und Lehre freigegeben.
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Discipline History; Humanities