Die Studie „Menschen in Deutschland“ (MiD) wird von der Universität Hamburg im Rahmen des seit 2019 existierenden bundesweiten Forschungsverbundes MOTRA durchgeführt. Sie untersucht Meinungen und Haltungen von Menschen ab 18 Jahren in Deutschland zu politischen, und gesellschaftlichen Themen. Dazu findet seit 2021 jedes Jahr im Frühsommer eine repräsentative Befragung der erwachsenen Wohnbevölkerung in Deutschland statt. In dieser werden alljährlich über 4.000 Menschen gebeten, Angaben zu ihren Erfahrungen, Einstellungen und Meinungen zu machen. Im Folgenden werden ausgewählte Befunde der vierten Welle der MiD-Studie aus dem Jahr 2024 vorgestellt. Im Zentrum stehen subjektive Wahrnehmungen gegenwärtiger gesellschaftlicher Herausforderungen und Probleme sowie damit assoziierte Besorgnisse einerseits. Weiter geht es um die Bewertung und Einschätzung wichtiger gesellschaftlicher Entscheidungsträger, insbesondere auch staatlicher und politischer Institutionen, durch die Bevölkerung. In einem Zeitvergleich wird dazu auch auf Ergebnisse der vorherigen Erhebungswellen aus den Jahren 2021, 2022 und 2023 eingegangen. Insbesondere auffällige Veränderungen, die im Jahr 2024 zu erkennen sind, werden genauer in den Blick genommen und erläutert.
Im Jahr 2024 fanden die Erhebungen von April bis Anfang Juli statt. Insgesamt haben 4386 Personen ab 18 Jahren an den Befragungen teilgenommen. Die Merkmale der so erreichten einwohnermeldeamtsbasierten großen Stichprobe der in Deutschland lebenden erwachsenen Bevölkerung entspricht sehr gut den Strukturen, wie sie auch in der Gesamtbevölkerung anzutreffen sind. Die Rücklaufquoten waren in einem Bereich, der für solche Studien als sehr gut bezeichnet werden kann. Die Ergebnisse der Befragungen sind insgesamt als repräsentativ für die in Deutschland lebende Wohnbevölkerung ab 18 Jahren anzusehen.
Im längsschnittlichen Vergleich der vier Erhebungswellen lassen sich ganz eindeutig wachsende Vertrauensverluste gegenüber Politik und staatlichen Institutionen, Zunahmen von Inkompetenzzuschreibungen mit Blick auf Entscheidungsträger aus Politik und Gesellschaft sowie steigende Besorgnisse angesichts gesellschaftlicher Herausforderungen in Bezug auf zentrale Politikfelder konstatieren.
Diese Entwicklungen werden begleitet von Anstiegen der subjektiven Wahrnehmung kollektiver Benachteiligungen der Eigengruppe seitens vieler Bürgerinnen und Bürger. Hier geht es um die Zunahme der Einschätzung, dass Menschen aus der eigenen Bezugsgruppe, der man angehört, d.h. wie man selbst mit denen man sich identifiziert, von staatlichen Institutionen systematisch schlecht behandelt, benachteiligt und mit ihren Sorgen und Nöten nicht ernst genommen werden. Weiter sind erhebliche Zuwächse der Akzeptanz von Verschwörungserzählungen zu erkennen. Diese sind bereits aus theoretischer Sicht generell mit der vermehrten Entstehung von Schwierigkeiten verbunden, lösungsorientierte rationale Debatten überhaupt angemessen führen zu können.
In der Summe ergibt dies eine höchst brisante Gemengelage, die einen ganz erheblichen und thematisch umfassenden Legitimationsverlust der aktuellen Politik und wichtiger Entscheidungsträger bei großen Teilen der Bevölkerung indiziert.
Die Beobachtungen der Befragten in deren eigenen Lebensumfeldern verweisen im Einklang damit auf Symptome eines reduzierten gesellschaftlichen Zusammenhalts. So ist der Anteil der Menschen gestiegen, die in ihren Städten und Gemeinden Formen der Intoleranz wie Ausländerfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus registrieren. Das steht mit zahlreichen Studien im Einklang, die gleichfalls vermehrte registrierte Vorfälle im Bereich von Intoleranz und Hass berichten oder auf der Grundlage von Umfragen Zunahmen intoleranter Einststellungen festgestellt haben.
Diese Entwicklungen werden unseren Befunden nach ferner begleitet von Anstiegen der Raten an Personen, die in ihrem Wohnumfeld Formen politisch-extremistischer Aktivitäten registrieren. Gefühle der Bedrohung durch politisch motivierte Gewalt in der eigenen Gemeinde oder Stadt haben in diesem Kontext gleichfalls zugenommen. Dabei spielen islamistische und rechtsextreme Formen der politisch motivierten Gewalt die entscheidende Rolle. Sorgen wegen linksextremer Gewalt existieren in der Bevölkerung zwar auch und sollten nicht ignoriert werden, dies bewegt sich allerdings auf deutlich niedrigerem Niveau.
Insgesamt zeichnet sich damit eine gesellschaftliche Situation ab, die aus theoretischer Sicht mit der Gefahr verbunden ist, dass sich in wachsendem Maße ein fruchtbarer Nährboden für autoritäre populistische Agitationsbemühungen ausbreiten könnte. Dies stellt eine ernsthafte Gefahr für eine liberale, rechtsstaatliche Demokratie dar. Die aktuelle Lage lässt sich insoweit als eine potentiell „explosive Mischung“ beschreiben, als eine gesellschaftliche Konstellation mit erhöhten Risiken der weiteren Verstärkung von sozialen Vorurteilen gegenüber Minderheiten und Fremdgruppen jedweder Art bis hin zu manifesten Ausprägungen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit mit ihren erheblichen sozial desintegrativen Effekten.
Zitation dieses Berichtes:
Wetzels, P., Farren, D., Brettfeld, K., Fischer, J.M.K. & Endtricht, R. (2025). Erste Ergebnisse der repräsentativen Befragung "Menschen in Deutschland" für das Jahr 2024 (MiD 2024). Hamburg: Universität Hamburg. https://doi.org/10.25592/uhhfdm.18004